BMW sollte für "Behinderte Mehr Wertschätzen" stehen.
„Barrierefreies Bauen ist kein Gnadenakt, barrierefreies Bauen sollte eine Selbstverständlichkeit und ein gemeinsamer klarer und unwiderruflicher Auftrag im Sinne aller Menschen in unserer Stadt und unserem Land sein“, sind Stadträtin Mag.a Elisabeth Mayr und Dr.in Elisabeth Rieder, Vorsitzende des Behindertenbeirates der Landeshauptstadt und selbst Rollstuhlfahrerin und damit Betroffene, über die Aussagen von NHT- und WK-Tirol-VertreterInnen erschüttert.
Deren Forderungen bedeuten einen Rückschritt im Sinne der Barrierefreiheit und stellen ein Gegeneinander-Ausspielen verschiedener Bevölkerungsgruppen und deren Bedürfnissen und Interessen dar. Die Forderungen sind strikt abzulehnen und sind ein weiterer Beleg dafür, dass die durch konsequenten und unermüdlichen Kampf erreichten Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen und somit auch für ältere, gebrechliche Menschen, nicht als Wert für unsere empathische Gesellschaft begriffen werden sondern als Anschlag auf deren Wirtschaftsverständnis. Man könnte fast meinen, Behinderte und ihre Bedürfnisse werden als Mietpreistreiber gesehen.
„Es grenzt an Zynismus, Barrierefreiheit als den BMW, ein Luxusmodell unter den Wohnungsbauten, zu bezeichnen, es handelt sich vielmehr um einen Volks-Wagen. Vor hundert Jahren wehrten sich genau solche Menschen gegen den Einbau von fließendem Wasser und Toiletten in den Wohnungen der Arbeiterschaft. Es gibt immer noch zahlreiche Länder auf unserer Welt, sogar in Europa, wo diese Art von Zugang zu reinem Trinkwasser keineswegs selbstverständlich ist“, kontern die beiden mit einem entsprechenden Vergleich.
„Wenn wir schon bei diesem Bild bleiben: Es geht nicht um einen BMW, sondern einfach um ein funktionstüchtiges Auto – am besten mit vier Rädern“, erklärt Rieder, worum es eigentlich geht. „Die UN-Behindertenrechtskonvention, das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, die ÖNORM-B1600 Richtlinie sowie diverse Verordnungen sind Werkzeuge, um zu Gleichberechtigung zu kommen“, spricht sich Rieder weiters gegen eine Anlassgesetzgebung auf Zuruf einiger Wohnbaumanager oder der Wirtschaftskammer aus, die wieder Verschlechterungen für die Menschen mit Behinderungen bringen würden.
„Wenn 50 Prozent des gesamten Wohnbestandes in Tirol barrierefrei sind, kann man allenfalls über eine mögliche Adaption der Vorgaben bei Neubauten diskutieren“, sehen Mayr und Rieder noch großen Nachholbedarf, da der Altbestand zu einem sehr großen Maß nicht barrierefrei ist und somit den Menschen mit Behinderung nicht zur Verfügung steht.
„Sinnvoller wäre vielmehr, diese Institutionen würden uns dabei unterstützen, barrierefreies Bauen endlich als Pflichtfach in den Lehrplan des Architekturstudiums in Österreich zu bekommen. Denn Fakt ist doch, dass die meisten Vertreterinnen und Vertreter dieser Zunft oft nach Beendigung ihres Studiums keinerlei Ahnung von Vorschriften bzgl. Barrierefreiheit haben“, freuen sich Mayr wie Rieder auf einen Schulterschluss. „Würde man die Barrierefreiheit von Anfang an in Planung und Umsetzung mitdenken, beliefen sich die Mehrkosten lediglich auf 0,4 Prozent – wird erst nachträglich herumgepfuscht, sind die Folgekosten natürlich enorm. Das zeigte eine Studie der ETH Zürich.“