Lager Reichenau: Zeitgemäßes Erinnern

ExpertInnenkommission empfiehlt neue Gedenkstätte für alle Opfer

Der Gemeinderat der Stadt Innsbruck hat im vergangenen Jahr beschlossen, die Geschichte des „Arbeitserziehungslagers Reichenau“ von einer ExpertInnenkommission aufarbeiten zu lassen und sich mit neuen und vor allem würdigen Gedenkmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Der Abschlussbericht der Kommission liegt nun vor. Auf Basis des Berichts soll mit Unterstützung des Landes Tirol eine neue Gedenkstätte entstehen, ein entsprechender Antrag wurde vom Stadtsenat an den Gemeinderat weitergeleitet.

Kulturstadträtin Mag.a Uschi Schwarzl und Gemeinderätin Irene Heisz, Vorsitzende des Kulturausschusses und Leiterin der Kommission, sprechen sich für zeitgemäße Erinnerungskultur und eine neue Gedenkstätte aus.

Allen Opfern angemessen
„Die Auseinandersetzung mit dem Unrecht der NS-Diktatur und ein würdevolles Gedenken an alle, die darunter gelitten haben, muss jetzt wie auch künftig zu den Grundpfeilern unserer Gesellschaft gehören. Es ist längst überfällig, dass wir auch in Innsbruck eine öffentliche, zeitgemäße und vor allem den Opfern angemessene Gedenkstätte für die Zukunft schaffen. Wir sind alle dazu verpflichtet, niemals zu vergessen – und es niemals wieder zuzulassen. Daran müssen wir auch in Zukunft erinnern“, betont Kulturstadträtin Schwarzl.

„Der Bericht der ExpertInnenkommission zum Arbeitserziehungslager Reichenau zeigt klar, dass das bisherige Mahnmal für die Zeit, in der es errichtet wurde, zwar eine historische Errungenschaft war, dem heutigen Stand der Forschung und dem sich verändernden Erinnerungsbewusstsein aber nicht mehr gerecht wird. Die Kommission konnte hier einige Forschungslücken schließen: So wissen wir nun die Namen und die genaue Zahl derer, die hier ermordet wurden. Auf Basis des Berichts sprechen wir uns deshalb für eine neue, würdevolle Gedenkstätte für alle Opfer aus“, erläutert Gemeinderätin Irene Heisz.

Vergangenes Erinnern
Dem Bericht der ExpertInnenkommission zufolge wurden im „Arbeitserziehungslager Reichenau“ mindestens 112 Menschen ermordet, deren Namen und biografische Details nun erstmals gesammelt vorliegen. Bisher diente ein im Jahr 1972 errichteter Gedenkstein in der Nähe des ehemaligen Standorts des „Arbeitserziehungslagers Reichenau“ als Mahnmal. Seither finden dort regelmäßig Gedenkfeiern statt, zuletzt eine gemeinsame Kranzniederlegung der Stadt Innsbruck mit VertreterInnen von Opferorganisationen und der Isrealitischen Kultusgemeinde am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

Bisher diente ein 1972 in der Nähe des ehemaligen Standortes errichteter Gedenkstein als Mahnmal.

© IKM/Bär

Die ExpertInnenkommission, bestehend aus dem Tiroler Landesarchivdirektor Christoph Haidacher, Gabriele Hammermann (Leiterin der Gedenkstätte Dachau), Lukas Morscher (Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs), Gemeinderätin Theresa Ringler, sowie den ZeithistorikerInnen Sabine Pitscheider, Dirk Rupnow und Horst Schreiber unter dem Vorsitz von Irene Heisz, hält hierzu in ihrem Abschlussbericht fest: „Das Denkmal neben dem Eingang des städtischen Recyclinghofes, das seit 1972 dort steht, ist als historische Errungenschaft und Setzung zu würdigen, entspricht jedoch in keiner Weise mehr den Anforderungen an eine zeitgemäße Erinnerungskultur. Die Inschrift ist inhaltlich nicht korrekt, die Ästhetik des Denkmals überholt und der Standort denkbar ungeeignet für die Abhaltung von Veranstaltungen, Exkursionen von Schulklassen u.ä. Vor allem aber ist der aktuelle Ort eines angemessenen Gedenkens an die Opfer und deren Leid nicht würdig.“

Zukünftiges Gedenken
Auf Basis des Forschungsberichts der Kommission soll nun eine neue, zeitgemäße und den Opfern würdige Gedenkstätte entstehen, im kommenden Gemeinderat wird der entsprechende Antrag vorgelegt. Das Land Tirol hat bereits im vergangenen Jahr beschlossen, sich an der Umsetzung der neuen Gedenkstätte zu beteiligen.

Die Kommission empfiehlt hier eine zentrale Gedenkstätte an der innseitig gelegenen städtischen Grünfläche in der Nähe des bestehenden Denkmals. Das neue Mahnmal soll alle Namen der Toten enthalten und als hybride Dokumentations-, Lern- und Gedenkstätte dienen, die sowohl mit analogen als auch digitalen Mitteln der Verpflichtung lebendiger und zeitgemäßer Gedenkkultur nachkommen kann. Wetterunabhänge Aufenthaltsmöglichkeiten, beispielsweise für Schulklassen, sollen ebenfalls Teil des neuen Gedenkortes sein.

Für die Planung und Umsetzung der anvisierten neuen Gedenkstätte empfiehlt die Kommission die Ausrichtung eines Wettbewerbs. Auch eine mögliche Integration des bestehenden Denkmals kann laut ExpertInnenbericht evaluiert werden, die endgültige Form der Umsetzung der neuen Gedenkstätte ist abhängig vom Wettbewerbsergebnis.

 

Quelle: Lager Reichenau: Zeitgemäßes Erinnern | Innsbruck Informiert (ibkinfo.at)